Kalter Wind bricht durch / Der erschti Schnee

Kalter Wind bricht durch

 

Kalter Wind bricht durch den Tag,

reisst an kahlen Ästen.

Was er wohl noch bringen mag?

Kündet er von Gästen fern der Heimat –

auf der Flucht?

 

Eingehüllt in schwarzes Tuch

sehe ich die Frauen.

Was uns trennt, das ist ein Buch.

Wer will andern trauen,

ihrem Blick und Wort und Rat?

 

Ist es Liebe, die hier trennt,

falsch gelebtes Lieben?

Wer sich ‚Bruder’, ‚Schwester’ nennnt

ist dem Du verschrieben,

selbst dem fremden und dem Feind.

 

Menschenantlitz uns vereint,

lehrt die Vielfalt achten.

Und wer schmerzerfüllt geweint,

lernt ein neues Achten –

durch Gesinnung, Tat und Wort.

 

Schon ein Lächeln überbrückt,

was getrennt geblieben,

und das kühne Wagnis glückt:

Neues wird geschrieben,

neu sind Blick und Herz.

 

Theophil Tobler

Worte zum Mitdenken

 

 

Der erschti Schnee

 

Der erschti Schnee!

Häsch-en scho gseh?

s’isch alles wiiss –

au d’Schtross und s’Chiis.

 

Vom Himmel fallt

i Schtärne-Gschtalt

es schtrahlends Chleid

uf Schtadt und Weid.

 

Und dini Schpuur

goht grad derdur.

Me gseht din Wäg.

Gib acht, bliib zwäg.

 

Und chunsch du hei,

bliib nid alei;

teil Glück und Not

und s’täglich Brot.

 

und die freie Übersetzung:

 

Der erste Schnee! Hast du ihn schon gesehen?

Alles ist weiss – auch die Strasse und der Kiesplatz.

 

Vom Himmel fällt in Form von Sternen –

ein strahlendes Kleid auf Stadt und Weide.

 

Und deine Spur führt geradewegs hindurch.

Man sieht deinen Weg. Achte darauf, und bleibe munter.

 

Und kommst du nach Hause: Bleibe nicht allein.

Teile Glück und Not und das tägliche Brot.

 

Theophil Tobler

Worte zum Mitdenken